linda-segeln Segeln ist traumhaft. Das wusste ich schon, bevor ich die Möglichkeit hatte, einen Teil der Crew in einer zweitägigen Segelregatta von Lanzarote nach Madeira zu bilden. Ich! Als Segler-Rookie! Was für eine Chance. Davor beschränkte sich meine Segelerfahrung auf den spanischen Freizeitschein „Patron de Embarcaciones de Recreo – PER“, ein paar Tagesausflüge und zwei Regatten. Na denn mal ran an das Abenteuer!

Tag 1: Das Abenteuer geht los!

Am Montagabend schipperten wir per Fred Olsen Express von Fuerteventura nach Lanzarote. Wie kommen wir denn zum Hafen, wo die Regatta startet? Auf den Bus warten? Ne… Daumen raus! Schon der zweite Wagen nahm uns mit und wir wurden direkt zum Bootshafen chauffiert. Das fängt ja gut an. Schnell fanden wir unseren Patron (Kapitän), der sofort Anweisungen verteilte, wie wir dies von ihm bereits kannten von den Regatten zuvor (ein Perfektionist wie aus dem Bilderbuch, wenn es um sein Segelboot geht). Nach dem Abendessen bezogen wir unsere Koje im Boot „Muyay“, um die erste Nacht im Hafen zu verbringen. Am Dienstagmorgen erledigten wir letzte Einkäufe und ich lernte den Rest der Crew kennen. Überraschenderweise waren alle zwischen 15 und 22 Jahren jung. Ich dachte mir: halb so jung wie ich und wahrscheinlich das Zehnfache an Erfahrung. Später stellte sich heraus, dass die wenigsten zuvor eine mehrtägige Regatta bestritten hatten. Dann ging es zackig, ablegen und rein ins Gewimmel der 46 teilnehmenden Boote. Jeder bezog seine Position auf dem „Muyay“ und wir übten ein paar Wenden und Halsen. Die Minuten vergingen schnell und das Gerangel um die beste Position erforderte viel Fingerspitzengefühl an den Rudern. Der Start verlief kriminell! Mir erschien es wundersam, wie nah die Segelschiffe an der Boje vorbei zielten, ohne dabei den kleinsten Kratzer an den gegnerischen Rümpfen zu hinterlassen. Der Wind an der Ostküste von Lanzarote war mit bis zu 35 Knoten stark und erforderte viele Manöver. Meine Position war die an der Winsch des Focksegels. Harte Arbeit resultierend in einem kräftigen Muskelkater am kompletten Oberkörper die nächsten Tage. Kaum war das Segelboot jeweils gewendet, setzten sich alle auf die obere Bande als Gegengewicht (das Ding hing ganz schön schief!). Wir segelten mit gutem Tempo zwischen den vorgelagerten Inseln von Lanzarote hindurch und schliesslich aufs offene Meer hinaus. bande

Delphine gibts hier!

Einmal auf dem richtigen Kurs, welchen wir bis Madeira beibehielten, legte unser Kapitän eine Matte auf die obere Bande, damit wir etwas bequemer sitzen konnten. Die Nacht brach langsam an und die Schichten wurden verteilt. Drei Stunden Schlaf in der Kabine pro Kopf jeweils zwei Leute zusammen und der Rest der Zeit auf der Bande an der frischen Luft verharren. Das war der Plan. Da ich mich vor der grausigen Seekrankheit fürchtete, verkündete ich, dass ich die ganze Nacht auf der Bande verbringen werde, zur Freude des Kapitäns. Ich freute mich vorerst auch, denn sobald das letzte Tageslicht verschwunden war, sah man von weitem die Lichter unserer Mitstreiter. Die Fülle der Sterne war gigantisch und oh… was war das! Da waren auch Sterne im Wasser. Man klärte mich auf, dass dies Plankton ist, welcher durch die Bewegung des Wassers grün leuchtete. Spektakulär. Mehrere Stunden sass ich so da, die Beine über die Rehling baumelnd und liess alles auf mich wirken.

Plötzlich eine Bewegung im Hecklicht des Boots! Das war ein Delphin!

Da waren ganz viele. Fröhlichkeit machte sich breit in der Crew. Die Delphine hinterliessen einen Streifen grünen Planktons im Wasser und sprangen ganz nah neben dem Bug vor uns her. Was für ein Highlight! Dann verschwanden sie wieder in der Dunkelheit und die Müdigkeit kehrte zurück. Unter dem Schwanken des Boots im Wind und immer mal mit einem Schwall Wasser erfrischt hielt ich es bis etwa vier Uhr morgens aus. Bis dahin war ich ein paar Mal kurz eingeschlafen, doch an Tiefschlaf war nicht zu Denken. Die Kälte und die Pillen zur Verhinderung der Übelkeit machten mich fertig. Dazu liess die Action an der Winsch den ganzen Nachmittag grüssen. Ich fragte, ob ich doch in die Kabine kann. Der Kapitän amüsierte sich, freute sich, dass ich so lange durchgehalten hatte und willigte ein. Ein bisschen verwirrt stieg ich hinab, zog meinen nassen Seglerkombi aus und fiel direkt ins Bett. Eine Decke hatte ich nicht gefunden, so rollte ich mich einfach in das Bettlaken ein und fiel in einen wahnsinnig angenehmen Schlaf. morning Ich hatte Glück, dass ich diejenige mit am wenigsten Erfahrung war, denn der Patron liess mich schlafen, bis ich von selbst aufwachte. Ich streckte meinen Kopf durch die Luke und das Morgenlicht fiel mir ins Gesicht. Ich setzte mich erst mal auf die Bank vor das Steuer, wo mein Partner Manu gerade Stand und fühlte mich einfach nur überglücklich. Mehr oder weniger Ausgeschlafen wurde mir erst bewusst, was ich gerade erlebte. Ich befand mich mitten im Ozean.

Alles, was ich auf dem Festland zurück gelassen hatte, verlor direkt an Wichtigkeit. Mich konnte niemand erreichen. Ich konnte niemanden erreichen. Stress war inexistent.

Umgeben von unendlich viel Wasser, schaukelte der Kahn vor sich hin, nur angetrieben vom Wind. Die Bedingungen waren perfekt. Der Seegang war mit ein bis zwei Metern gering, wie man mir sagte (für meine Verhältnisse, schaukelte es ordentlich) und der Wind wehte die ganze Zeit über mit angenehmen 15 – 25 Knoten. Zwei Mal an diesem Tag sahen wir die Fontänen von Walen. Wir freuten uns, doch ich hätte sie gerne noch viel näher gesehen. Der Tag auf der Bande verging schnell und die zweite Nacht brach langsam an. Der Sonnenuntergang war wieder atemberaubend. Bereits an das Schaukeln gewöhnt, verlor ich die Angst vor der Seekrankheit und musste nicht mehr so angestrengt auf den Horizont starren, damit mir nicht schlecht wurde. Die Toilettengänge fand ich mittlerweile amüsant, weil ich mich trotz aller Bemühung nicht geschickt anstellen konnte in der kleinen Kabine. Damit das Geschäft gelang, musste ich mich sogar im Sitzen festhalten.

Land in Sicht!

Am Morgen des Tages der Ankunft befand ich mich vor Sonnenaufgang auf Deck. Ich war sehr beeindruckt, dass wir so schnurgerade von Lanzarote nach Madeira gelangt waren. Den Kurs beibehaltend, lag der Zielhafen direkt vor uns. Je näher wir kamen, desto langsamer wurde unser Boot.

Die Wärme der Aufgehenden Sonne, liess den Wind einschlafen. So kurz vor dem Ziel blieben wir schlussendlich komplett stehen. Wir befanden uns in einer „Calma“. Darauf hatte keiner Lust.

Wir freuten uns auf den festen Boden, auf ein leckeres Frühstück und aufs Ausruhen. Doch wir mussten uns noch etwas gedulden. Die Strömung trieb uns in die falsche Richtung und es war nochmal ein bisschen Action angesagt. Wenden, Banden wechseln und sich die Zeit mit Wortspielen vertreiben. Zeitweise verzeichnete die Anzeige 0 Knoten Wind. Mit dem Hafen vor der Nase, vergingen drei Stunden und wir kamen kaum vom Fleck. Wir sahen zwei Boote, die hinter uns gewesen waren, ganz langsam mit einer stillen Brise in den Hafen reinschippern. Der Kapitän ärgerte sich ein bisschen darüber. Es erstaunte mich, dass nun so viele Boote gleichzeitig vor Madeira rumdümpelten, obwohl wir auf hoher See einander kaum oder gar nicht gesehen hatten, so gross waren die Entfernungen gewesen. Irgendwann kam dann ein Lüftlein auf und wir schafften es als sechstes Boot über die Ziellinie. In unserer Kategorie erreichten wir sogar den dritten Rang! Wow! Das hatten wir uns verdient. Ich war vor allem von den jungen Leuten beeindruckt. Keiner hatte sich auch nur ein einziges Mal beschwert oder in irgendeiner Form Schwäche gezeigt. Da sieht man mal wieder, dass man von Teenagern ganz schön viel lernen kann. Das Einlaufen war aufregend. Wir wurden freundlich auf Portugiesisch begrüsst und nach einigem Posieren für Fotos ging das Gezeter um den Standplatz los, der sich unser Patron für seinen „Muyay“ erkämpfen musste. Durch die Regatta war der Hafen relativ voll und der Kapitän gab sich nicht so schnell zufrieden. Wir fuhren also erst mal im Hafen hin und her, versuchten uns in eine zu kleine Lücke zu quetschen, was nicht gelang. Schlussendlich konnten wir an einem adäquaten Standplatz anlegen. Als erstes gab es kein leckeres Käffchen, nein, das Boot wollte zuerst gewaschen werden. Ah und wenn wir gerade dabei sind, die Segelkombis auch noch und die Schuhe und die Hosen und die Jacken, alles, sogar die Socken und die Unterhosen der gesamten Crew. In dem Moment wäre ich gerne selber Captain gewesen. Doch wir nahmen es mit Humor, befolgten die Anweisungen und schätzten dafür die Dusche und das Mittagessen umso mehr. Und wie gut die Siesta danach tat. Die Insel Madeira ist wunderschön mit ihren Bergen und Wäldern. Ein toller Kontrast zu Fuerteventura. Wir erkundigten Sie in den vier Tagen des Aufenthalts mit einem Mietauto. Die Preisverleihung und der ganze Kram interessierten mich begrenzt, ich freute mich schon auf die Rückreise übers Meer ohne den Druck, die schnellsten sein zu wollen. Ein grosses Dankeschön an das ganze Team von Fresh Surf, dass sie mich in der Hochsaison losziehen liessen, um ein bisschen Kolumbus zu spielen. Ahoi und bis bald, Linda